Content Warnung: Suizidversuch
In Shapes of Diversity geht es um mehr, als nur eine dramatische Liebesgeschichte mit viel Spice. Gerade die Mental Health Themen nehmen viel Raum ein, die dem Lesenden einen Einblick in verschiedene Psychische Erkrankungen und das Leben mit Neurodivergenz geben.
Evan ist dabei DER männliche Charakter, der in der Geschichte sehr deutlich macht, unter welchem Druck Männer in unserer Gesellschaft stehen, und das obwohl er rein äußerlich betrachtet alles erreicht hat, was man als Mensch erreichen kann. Andererseits zeigt seine Entwicklung in der Geschichte auch, wie man gegen diesen Druck und auch gegen die eigenen Dämonen, sowie die ungesunden gesellschaftlichen Erwartungen ankämpfen und zum besseren Menschen werden kann, wenn man es wirklich möchte.
Epilog
Ich saß unter meinem Lieblingsbaum und betrachtete das Messer. Die Windungen des Musters vom Damaszenerstahl war hypnotisierend. Es würde kaum wehtun, die Klinge über mein Handgelenk zu ziehen. Ich musste nur aufpassen, nicht die Sehnen mit durchzuschneiden, sonst würde ich wohl die Feinmotorik verlieren, um es auch beim anderen Arm durchzuziehen.
Ich setzte die Klinge an und begann sie langsam in meine Haut zu drücken. Der erste Blutstropfen zeigte sich, aber es tat nicht weh. Dann hörte ich Getrappel.
Ich hob meinen Blick und sah Amira nur wenige Meter von mir stehen. Ich nahm das Messer von meinem Handgelenk und drehte die blutige Stelle von ihr weg.
»Mein kleiner Engel, wie kommst du den hierhin?«
Sie sah sich um und wippte dabei etwas verunsichert. Ihr hellblaues Kleid wackelte dabei und sie strich sich über ihre geflochtenen Haare. »Na zu Fuß.«
»Du bist den ganzen langen Weg alleine gegangen?«
Sie schüttelte den Kopf. »Nein, mit Lucky.« Sie zeigte dabei auf einen kleinen Busch unter dem ich unseren Kater stehen sah.
»Mit Lucky, wie schön. Hat er dich begleitet?«
»Er hat ganz laut miaut und ich wollte ihn mir anschauen, aber er ist immer weg gelaufen.«
»Ist er das?« Mein Blick schweifte in die Ferne.
»Ja, aber guck mal, Papa, jetzt geht er nicht mehr weg.« Müde richtete ich meine Aufmerksamkeit wieder auf Amira. Sie ging neben unserem Kater in die Hocke und streichelte ihn.
»Da wollte Lucky wohl mich mit dir zusammen besuchen.«
»Hast du die ganzen Blumen gesehen, die es gerade im Wald gibt? Ich wollte immer welche pflücken, aber dann hat er wieder miaut.«
»Du kannst jetzt welche pflücken.«
»Au ja. Hilfst du mir dabei, Papa?«
»Ich glaube, ich sitze hier noch ein bisschen.« Dabei legte ich das Messer unauffällig neben mir hin und bedeckte es mit Laub.
»Dann gehe ich alleine.«
»Aber nicht zu weit, mein Schatz, sodass ich dich noch sehen kann.«
Sie nickte und lief hinter den großen Baum, unter dem ich saß. Ich musste lächeln, denn der Baum war nicht durchsichtig.
Lucky kam sehr langsam zu mir und setzte sich neben mich hin.
Ich sah ihn an und streichelte seinen Kopf. »Woher wusstest du das?«
Er schnurrte.
Bald kam meine Tochter mit unzähligen weißen und violetten Blüten zurück. Sie legte alle vor meine Füße und bettete sie, als würde sie die Blumen schlafen legen. Dabei schnatterte sie fröhlich vor sich hin und summte zwischendurch eine Melodie. Es war so schön, ihr dabei zuzusehen. Sie war so voller Leben und Unschuld. Nichts belastete ihre kleine Seele und ich erkannte jetzt, dass ich dafür verantwortlich war, dass es auch so blieb. Amira brauchte einen starken Vater.
Irgendwann unterbrach sie ihr Selbstgespräch und sah mich an. »Soll ich dir einen Kranz flechten?«
Ich lächelte sie an. »Kannst du das?«
»Ja, Abuela hat es mir gezeigt, wie man das macht.«
»Na dann zeig mir, was dir deine Oma beigebracht hat.«
Geschickt knüpfte sie die Stängel der Blüten mit ihren kleinen Fingern zusammen, bis ein Kranz entstanden war. Dann kam sie zu mir hin, und setzte sie auf meinen Kopf.
»Ich blickte nach oben, konnte die Blumen aber natürlich nicht sehen. »Seh ich gut aus?«
»Wunderschön, wie eine echte Prinzessin.« Ihre Augen leuchteten.
Sie brachte mich zum Lachen. »Das wollte ich schon immer. Danke, mein Schatz. Wollen wir Mama zeigen, wie hübsch du mich gemacht hast?«
Sie nickte eifrig und fasste meine Hand. »Aber dafür musst du aufstehen.«
Ich gehorchte Amira, beugte mich zu ihr herunter um sie auf meine Schultern zu heben. Sie jauchzte vor Freude und krallte sich dann in meine Haare. Eine kribbelnde Wärme erfüllte mein Herz. Bei allem, was ich in meinem Leben verloren hatte, durfte ich nicht vergessen, was ich für ein großes Geschenk erhalten habe.
Ich strich liebevoll über ihre Schienbeine. »Deine Füße sind bestimmt müde, es ist ein langer Weg von zu Hause.«
»Ja, und so kann ich viel mehr sehen.«
Lachend schritt ich los. Ich hörte, wie Lucky leise hinter mir her trabte.